Fahrpersonalrecht: Lenk- und Ruhezeiten, Fahrtunterbrechungen, andere Arbeits- und Bereitschaftszeiten

Beginnend mit diesem Beitrag wollen wir Ihnen die wichtigsten fahrpersonalrechtlichen Begrifflichkeiten und deren rechtskonforme Bedeutung bzw. Auslegung erörtern. Mit entsprechenden Handlungsempfehlungen wird darauf eingegangen, was die Akteure in der Transportbranche zu beachten haben, um möglichen Fehlinterpretationen und deren Rechtsfolgen entgegenzuwirken.

1 Lenkzeiten

Der Begriff der Lenkzeit wird im aktuellen Text des Artikel 4 Buchstabe j der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wie folgt beschrieben:

„Lenkzeit“ die Dauer der Lenktätigkeit, aufgezeichnet entweder:

  • vollautomatisch oder halbautomatisch durch Kontrollgeräte im Sinne der Anhänge I und I B der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85, oder
  • von Hand gemäß den Anforderungen des Artikels 16 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85.

Zwischenzeitlich wurden neue technische Anhänge entwickelt, wie beispielsweise der Anhang I C, die in Rechtsverordnungen umgesetzt wurden. Auch die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 wurde im Jahr 2014 durch die VO (EU) Nr. 165/2014 abgelöst.

Nachfolgend werden wir die Neuerungen der Aufzeichnungstechnik für die tagtäglichen Herausforderungen praxisnah erörtern.

Die digitalen Fahrtenschreiber der Generation 1 und Generation 2 weisen – bereits nach wenigen Bewegungsimpulsen – vollautomatisch im Display des Kartenschachtes 1 das Symbol Lenkzeit aus. Parallel dazu wird im Kartenschacht 2 das Symbol der Bereitschaftszeit angezeigt. Während das Fahrzeug in Bewegung ist, können diese geschalteten und angezeigten Symbole nicht verändert werden.

Abgespeichert wird hingegen (sowohl auf der persönlichen Fahrerkarte als auch im Massenspeicher des Fahrtenschreibers) je Minute nur je eine Tätigkeit.

Dies ist seit der Einführung der sogenannten „Minutenregelung“ ab dem 01.10.2011 (Continental VDO DTCO ab Rel. 1.4 und Stoneridge SE5000 ab Rev. 7.3), grundsätzlich die Aktivität, die anteilmäßig – nach Sekunden – am häufigsten in dieser Minute ausgewiesen wurde.

Anders sieht dies bei der Aufzeichnung der sekundengenauen Geschwindigkeitsdaten aus. Hier ist jegliche Fahrzeugbewegung auf dem Ausdruck bzw. bei einem Download und einer sich anschließenden Auswertung mit spezieller Auswertsoftware erkennbar ist.

1.1 Maximale Lenkzeiten

Die unterschiedlichen maximalen Lenkzeiten werden in drei Kategorien unterteilt (tägliche Lenkzeit, wöchentliche Lenkzeit und Lenkzeit in der „Doppelwoche“) und sind in Artikel 6 der VO (EG) Nr. 561/2006 geregelt.

Für nachweispflichtige Fahrzeuge zur Güter- und Personenbeförderung gelten nachfolgende Lenkzeiten:

1.1.1 Tägliche Lenkzeiten

In Artikel 6 Absatz 1 der VO (EG) Nr. 561/2006 findet sich der Grundsatz, dass die tägliche Lenkzeit 9 Stunden nicht überschreiten darf.

Zur rechtlichen Einordnung ist es wichtig zu wissen, dass hierunter ausschließlich die reinen Lenkzeiten (ausgewiesen durch das o.a. Lenkzeitsymbol) fallen.

Alle anderen Symbole bzw. Tätigkeiten:

Andere Arbeiten, Bereitschaftszeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten werden nicht darunter eingeordnet!

Die tägliche Lenkzeit umfasst nach Artikel 4 Buchstabe k der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 die summierte Gesamtlenkzeit zwischen dem Ende einer täglichen Ruhezeit und dem Beginn der darauf folgenden täglichen Ruhezeit oder zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit.

Die täglichen und die wöchentlichen Lenkzeiten umfassen alle Lenkzeiten im Gebiet der Gemeinschaft oder von Drittstaaten.

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass diese Berechnung für einen dynamischen Zeitraum (Zeitraum zwischen den Ruhezeiten) erfolgt und sich nicht auf einen Kalendertag bezieht.
Siehe dazu auch das nachfolgende Beispiel.

Weiter heißt es in Artikel 6 Absatz 1 der VO (EG) Nr. 561/2006: Die tägliche Lenkzeit darf jedoch höchstens zweimal in der Woche auf höchstens 10 Stunden verlängert werden.

Wichtig hierbei ist der statische Wochenbegriff, der sich aus Artikel 4 Buchstabe i der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 ergibt.

Woche ist der Zeitraum zwischen Montag 00.00 Uhr und Sonntag 24.00 Uhr.

Demnach ist folgendes Beispiel einer Kraftomnibustour zulässig:

Rechtsverstöße gegen die zulässigen Lenkzeiten können mit Geldbußen, wie aus den nachfolgenden Bußgeldtabellen ersichtlich, gegen den Fahrer als auch gegen den Unternehmer geahndet werden. Bußgeldtabelle hinsichtlich eines Verstoßes gegen die tägliche Lenkzeit (SOLL = 9 Stunden):

Buß-und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht LV 48

1.1.2 Wöchentliche Lenkzeit

Artikel 6 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 561/2006 führt dazu aus:

Die wöchentliche Lenkzeit darf 56 Stunden nicht überschreiten und nicht dazu führen, dass die in der Richtlinie 2002/15/EG festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit überschritten wird.

Zum Begriff der „wöchentlichen Lenkzeit“ definiert Artikel 4 Buchstabe l der VO (EG) Nr. 561/2006, „die summierte Gesamtlenkzeit innerhalb einer Woche“.

Wichtig zu dieser Regelung ist auch hier der Umstand, dass analog zu Ziffer 1.1 nur die tatsächlichen Lenkzeiten (ohne Berücksichtigung der anderen Symbole) hier einfließen und der statische Wochenbegriff Anwendung findet.

Fährt ein Fahrer nach einer wöchentlichen Ruhezeit von 45 Stunden am Sonntagabend um 22.00 Uhr los gilt folgendes:

– die beiden Stunden von 22.00 bis 24.00 Uhr werden hinsichtlich der täglichen Lenkzeit der nun beginnenden „Arbeitsschicht“ zugerechnet
– die beiden Stunden von 22.00 bis 24.00 Uhr werden hinsichtlich der wöchentlichen Lenkzeit noch der „alten“ Woche zugerechnet.

Die Richtlinie 2002/15/EG zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben, wurde in Deutschland durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in nationales Recht umgesetzt.

Das Arbeitszeitgesetz vom 06.06.1994 einschließlich der Änderungen vom 22.12.2020 gilt nur für das in Abhängigkeit beschäftigte Fahrpersonal.

Werktäglich sind nach § 3 ArbZG durchschnittlich acht Stunden Arbeitszeit zulässig. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Anders als bei den fahrpersonalrechtlichen Bestimmungen, für deren Einhaltung das Fahrpersonal und der Unternehmer (ggf. beauftragter Disponent) verantwortliche sind, handelt es sich beim ArbZG um eine reine Schutzbestimmung (z.B. gegen überlange Arbeitszeiten) für Arbeitnehmer. Normadressat bzw. verantwortlich für die richtige Umsetzung und Einhaltung des ArbZG ist der Arbeitgeber/Unternehmer und/oder dessen Beauftragte wie z. B. der Disponent, Einsatzleiter und/oder Verkehrsleiter (Bundesarbeitsgericht- BAG vom 11.12.2001-9 AZR 464/00). Ein arbeitszeitrechtlicher Verstoß kann folglich nur durch diesen zuvor genannten Personenkreis begangen werden.

Unter den Begriff der Arbeitszeit im Sinne des ArbZG fallen nicht nur die Lenkzeiten, sondern auch die anderen Arbeiten. Das können neben den Be- und Entladevorgängen auch Arbeiten am Fahrzeug, Überwachung bestimmter Vorgänge oder behördliche Aufgaben (wie beispielsweise das Ausfüllen von Dokumenten) sein.

Würde ein Fahrer tatsächlich eine zulässige tägliche Lenkzeit von 10 Stunden erbringen, wäre unter arbeitszeitrechtlicher Betrachtung für jegliche andere Arbeiten kein weiterer Zeitraum zulässig.

Die Abgrenzung hinsichtlich der EG-Sozialvorschriften und dem deutschen Arbeitszeitgesetz besteht darin, dass in den EG-Sozialvorschriften die Lenkzeiten, die Fahrtunterbrechungen und die Ruhezeiten geregelt werden, nicht aber die Arbeitszeiten der in Abhängigkeit beschäftigten Kraftfahrer. Diese waren und sind weiterhin im Arbeitszeitgesetz geregelt.

Insoweit wird die durch das europäische Recht vorgesehene Möglichkeit, zweimal innerhalb einer Woche die tägliche Lenkzeit auf zehn Stunden zu erhöhen, in Deutschland durch die Vorgabe des § 3 ArbZG nur sehr eingeschränkt anwendbar sein.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit ist in Artikel 4 Buchstabe a der Richtlinie 2002/15/EG wie folgt festgeschrieben: „Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit darf 48 Stunden nicht überschreiten. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit für Fahrer in Arbeitsverhältnissen kann bis zu 60 Stunden betragen, sofern der Wochendurchschnitt in einem Zeitraum von vier Kalendermonaten 48 Stunden nicht übersteigt“.

Hinweis:
Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten war national eine Ergänzung von § 3 des Arbeitszeitgesetzes als lex specialis bei der Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit erforderlich, die in § 21a Absatz 4 ArbZG geregelt wurde.

Nach einem Urteil des OVG Münster vom 10.10.2019, Az. 4 A 1334/17 wird die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG nicht durch die Bestimmung zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit von Kraftfahrern nach § 21a Absatz 4 ArbZG verdrängt.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass § 21 a ArbZG nur für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und dem AETR anzuwenden ist.

Bußgeldtabelle hinsichtlich eines Verstoßes gegen die wöchentliche Lenkzeit:

Buß-und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht LV 48

1.1.3 Lenkzeit in der Doppelwoche

Gemäß Artikel 4 und Artikel 6 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 561/2006 ist die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen (Doppelwoche) wie folgt definiert: Die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen darf 90 Stunden nicht überschreiten.

Auch bei dieser Betrachtung ist die reine Lenkzeit und der statische Wochenbegriff zugrunde zu legen.

Wichtig:
Die Lenkzeit in der Doppelwoche (maximal 90 Stunden) ergibt sich aus der geleisteten Lenkzeit der Vorwoche und der jeweils aktuellen Woche. Jede Woche bildet mit der ihr vorausgehenden und nachfolgenden Woche folglich eine „Doppelwoche“.

Bußgeldtabelle hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Lenkzeit in der Doppelwoche:

Buß-und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht LV 48

Willy Dittmann / Jörg Eiden / Sven Kilian

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