Fahrpersonalrecht: Fahrtunterbrechungen, Ruhepausen, Pausen und Bereitschaftszeiten – Teil 2

Unter Bezugnahme auf den ersten Beitrag zum Thema Fahrtunterbrechungen, Ruhepausen, Pausen und Bereitschaftszeiten und deren rechtlicher Einordnung (siehe BERUFSKRAFTFAHRER-Zeitung Ausgabe 1-2/2024), wird die Thematik in dieser Ausgabe fortgesetzt und vertieft. Hinsichtlich dieser Begriffe sollen nachfolgend die wichtigsten fahrpersonal- und arbeitszeitrechtlichen Auslegungen (national) und deren rechtskonforme Bedeutung erörtert werden. Mit entsprechenden Handlungsempfehlungen und Hinweisen wird darauf eingegangen, was die Akteure in der Transportbranche zur o.a. Thematik zu beachten haben, um möglichen Fehlinterpretationen und deren Rechtsfolgen entgegenzuwirken.

2 Fahrtunterbrechungen – Sonderregelungen im Personenlinienverkehr gemäß der nationalen Fahrpersonalverordnung (FPersV)

2.1 Verordnung (EG) Nr. 561/2006 Negativabgrenzung

Der europäische Verordnungsgeber bestimmt in Artikel 3 Buchstabe a) der VO (EG) Nr. 561/2006, dass diese Verordnung (und damit die europäischen Regelungen) nicht gilt, für Beförderungen im Straßenverkehr mit Fahrzeugen, die zur Personenbeförderung im Linienverkehr verwendet werden, wenn die Linienstrecke nicht mehr als 50 km beträgt.

In Artikel 15 der VO (EG) Nr. 561/2006 hat der Verordnungsgeber den Mitgliedstaaten auferlegt, dass den Fahrern der in Artikel 3 Buchstabe a) genannten Fahrzeuge ein ausreichender Schutz durch angemessene Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten sichergestellt bzw. vorgegeben wird.

Zunächst ist hierzu festzustellen, dass der gesamte Gelegenheitsverkehr (Reiseverkehr) und der Linienverkehr/ Fernlinienverkehr mit einer Linienstrecke von mehr als 50 km nicht unter die zuvor angeführte Ausnahmeregelung fallen. Hinsichtlich der Fahrtunterbrechungen gelten in diesen Personenbeförderungen die generellen Regelungen des Artikel 7 der VO (EG) Nr. 561/2006 vollumfänglich.

2.2 Fahrpersonalverordnung

Die nationale/deutsche FPersV, die auf Grund von § 2 Nr. 3 Fahrpersonalgesetz (FPersG) erlassen wurde, enthält Regelungen für den Bereich der Personenbeförderung mit Fahrzeugen, die für die Beförderung von mehr als neun Personen geeignet und bestimmt sind und im Linienverkehr mit einer Linienstrecke bis zu 50 km eingesetzt werden.

Zulässige Abweichungen zu den Fahrtunterbrechungen im Linienverkehr bis zu 50 km sind in § 1 Absatz 3 Nr. 1 und 2 FPersV festgeschrieben.

Der § 1 Absatz 3 Nr. 1 FPersV stellt auf die Fahrtunterbrechungen ab, die vom Fahrpersonal bei einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von mehr als 3 km zu beachten sind.

Der § 1 Absatz 3 Nr. 2 FPersV stellt auf die Fahrtunterbrechungen ab, die vom Fahrpersonal bei einem durchschnittlichen Haltestellenabstand von weniger als 3 km zu beachten sind.

§ 1 Absatz 3 Nr. 1

Beträgt der durchschnittliche Haltestellenabstand mehr als drei Kilometer, so ist nach einer Lenkzeit von viereinhalb Stunden eine Fahrtunterbrechung von mindestens 30 zusammenhängenden Minuten einzulegen. Diese Fahrtunterbrechung kann durch zwei Teilunterbrechungen von jeweils mindestens 20 zusammenhängenden Minuten oder drei Teilunterbrechungen von jeweils mindestens 15 Minuten ersetzt werden. Die Teilunterbrechungen müssen innerhalb der Lenkzeit von höchstens viereinhalb Stunden oder teils innerhalb dieser Zeit und teils unmittelbar danach liegen.

§ 1 Absatz 3 Nr. 2

Beträgt der durchschnittliche Haltestellenabstand nicht mehr als drei Kilometer, sind als Fahrtunterbrechungen auch Arbeitsunterbrechungen ausreichend, soweit diese nach den Dienst- und Fahrplänen in der Arbeitsschicht enthalten sind (z. B. Wendezeiten). Voraussetzung hierfür ist, dass die Gesamtdauer der Arbeitsunterbrechungen mindestens ein Sechstel der vorgesehenen Lenkzeit beträgt. Nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von viereinhalb Stunden ist eine Fahrtunterbrechung von mindestens 45 Minuten erforderlich.

Beispiele

Arbeitsunterbrechungen unter zehn Minuten werden bei der Berechnung der Gesamtdauer grundsätzlich nicht berücksichtigt. Durch Tarifvertrag kann jedoch vereinbart werden, dass Arbeitsunterbrechungen von mindestens acht Minuten berücksichtigt werden können, wenn ein Ausgleich vorgesehen ist, der die ausreichende Erholung des Fahrers erwarten lässt. Für Fahrer, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, kann die nach Landesrecht zuständige Behörde entsprechende Abweichungen bewilligen.

Bei einer vorgesehenen täglichen Lenkzeit von 9 Stunden müssen die vorgeplanten Arbeitsunterbrechungen in der Summe mindestens 90 Minuten betragen. Sie müssen in den Dienst- und Fahrplänen beinhaltet sein.

Das Wort auch bedeutet nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 06.05.2014 (Az. 9 AZR 575/12), dass neben der 1/6-Regelung, die Regelungen des § 1 Absatz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 der FPersV bei Haltestellenabständen von nicht mehr als 3 km auch in Anspruch genommen werden können.

Für die zuvor genannten deutschen Sonderregelungen (FPersV), die sich nur auf die Fahrtunterbrechungen beziehen (und somit nicht unter die europäischen Bestimmungen fallen), ist es nach deutschem Recht (also im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland) nicht zwingend erforderlich, die Aufzeichnungen und Nachweise der erbrachten Zeiten über einen digitalen Fahrtenschreiber zu erbringen. Sollte ein solcher im Fahrzeug verbaut sein, ist der Fahrer nicht dazu verpflichtet, seine Fahrerkarte zu stecken (siehe dazu auch § 57a Absatz 3 StVZO).

Merke: Die Daten des Massespeichers sind vom Unternehmer alle 90 Tage herunterzuladen; § 2 Absatz 5 der FPersV gilt entsprechend.

Die Regelungen zum Nachweis der erbrachten Zeiten (u.a. Fahrtunterbrechungen) ergeben sich aus § 1 Absätze 8, 9 und 10 der FPersV. Als Mindestanforderung haben Fahrer im Linienverkehr mit einer Linienstrecke von nicht mehr als 50 km einen Auszug aus dem Arbeitszeitplan und eine Ausfertigung des Fahrplans, der die gerade durchgeführte Fahrt betrifft, mitzuführen. Wird zur Nachweisführung ein digitaler Fahrtenschreiber eingesetzt, entfällt die Mitführpflicht der vorgenannten Dokumente.

Beachte: Durch die Verpflichtung zum Erlass nationaler Vorschriften, Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, kann es in anderen Mitgliedstaaten zu abweichenden Regelungen zum Linienverkehr mit einer Linienstrecke von nicht mehr als 50 km kommen.

2.3 Linienstrecke bis zu 50 km und Wechsel zum Gelegenheitsverkehr

Die Fahrer benutzen im Gelegenheitsverkehr für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter oder Fahrerkarten. Manuelle Nachträge müssen, wenn diese erforderlich und möglich sind, vom Fahrer auf der Fahrerkarte nach den tatsächlichen Gegebenheiten erfolgen. Eine sogenannte „Freibescheinigung“ (in Papierform) ist in Deutschland nur ausnahmsweise zulässig, wenn aus objektiven Gründen der manuelle Nachtrag nicht möglich oder besonders aufwendig ist (siehe dazu § 20 FPersV). Die besondere Aufwendigkeit wird anhand objektiver Kriterien bestimmt.

3 Fahrtunterbrechungen aus Sicht des Arbeitszeitrechts

3.1 Geltung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)

Das ArbZG vom 06.06.1994 – einschließlich der Änderungen vom 22.12. 2020 – gilt nur für die in Abhängigkeit beschäftigten Arbeitnehmer und ist staatliches Ordnungsrecht. Normadressat bzw. verantwortlich für die richtige Umsetzung und Einhaltung dieser Schutzbestimmungen ist der Arbeitgeber/Unternehmer und/oder dessen Beauftragter, wie z.B. der Disponent, Einsatzleiter und/oder Verkehrsleiter (BAG vom 11.12.2001-9 AZR 464/00). Ein rechtswidriger und vorwerfbarer Verstoß gegen das ArbZG kann folglich nur bei dem zuvor genannten Personenkreis geahndet werden.

Ergänzend sei an dieser Stelle auf das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern (KrFArbZG) vom 11.07.2012, geändert durch Gesetz vom 16.05.2017, hingewiesen. Eine tiefergehende Erläuterung erfolgt innerhalb dieser Abhandlung nicht.

3.2 Ruhepausen gemäß § 4 ArbZG

Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von:
– mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit (Lenkzeit plus andere Arbeiten Spezifische ) von mehr als sechs bis zu neun Stunden und
– von mindestens 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen.

Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Die Ruhepausen nach § 4 Satz 1 ArbZG kön
nen in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden und sollen folgende Merkmale erfüllen:
– Sie müssen im Voraus feststehen
– Sie müssen frei von jeder Tätigkeit sein
– Sie müssen der Erholung dienen
– Sie müssen tatsächlich genommen werden können.

So tritt gerade im Nah- bzw. Verteilerverkehr oftmals der Fall ein, dass das Fahrpersonal während seiner gesamten „Schicht“ keine Lenkzeiten von mehr als viereinhalb Stunden erreicht. Kommt es jedoch zu zahlreichen anderen Arbeiten (z.B. Ladetätigkeiten) ist nach spätestens 6 Stunden Arbeitszeit (Lenkzeit plus andere Arbeiten) eine arbeitszeitrechtliche Ruhepause einzulegen.

Eine ordnungsgemäß eingelegte Fahrtunterbrechung (siehe Abschnitt 1) erfüllt auch die Voraussetzungen einer arbeitszeitrechtlichen Ruhepause.

3.3 Sonderbestimmungen in § 21a ArbZG

Der § 21a ArbZG enthält eine nationale Sonderregelung. Diese wurde für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten eingeführt und gilt im Hinblick zu den allgemeinen Regelungen des ArbZG als lex specialis. Hierbei ist zwingend zu beachten, dass § 21 a ArbZG nur für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und dem AETR anzuwenden ist. Die sogenannte „Sprinterklasse“ der Gütertransportfahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse (zHM) bis einschließlich 3,5 t und der Linienverkehre bis 50 km Linienlänge kann sich demnach nicht auf diese speziellen Regelungen des § 21a ArbZG beziehen. Für das auf diesen Fahrzeugen eingesetzte Fahrpersonal gelten die allgemeinen Bestimmungen des ArbZG.

3.4 Regelungen zur Bereitschaftszeit Spezifische Bedingungen
§ 21a Absatz 3 ArbZG

Hier unterscheidet der nationale Gesetzgeber in drei Rubriken der Bereitschaftszeit:
1. die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen,
2. die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer bereithalten muss, um seine Tätigkeit auf Anweisung aufnehmen zu können, ohne sich an seinem Arbeitsplatz aufhalten zu müssen,
3. für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit (Mehrfahrerbetrieb).

Alle drei Arten der Bereitschaftszeiten sind für das Fahrpersonal, das sich auf § 21 a ArbZG berufen kann, keine Arbeitszeit. Für die Zeiten nach Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 (nicht Nr. 3) gilt dies nur, wenn der Zeitraum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums, bekannt ist.
Obwohl die Bereitschaftszeiten arbeitszeitrechtlich keine Arbeitszeiten darstellen, fällt die Betrachtung aus der Sicht der Entlohnung in einen anderen Fokus.
Beachte: Für die o.a. „Sprinterklasse“ (mit einer zHM. bis einschließlich 3,5 t) gelten die §§ 2ff. des ArbZG mit der Rechtsfolge, dass Bereitschaftszeit i.S. der arbeitszeitrechtlichen Einordnung (RiLi 2003/88/EG) und einem Urteil des VG Augsburg v. 22.07.2021 – Au 5 K 20.724 als Arbeitszeit zu werten ist.
Alle in § 21a Absatz 3 Satz 1 genannten Zeiten sind keine Ruhezeiten.
Die in Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 genannten Zeiten sind keine Ruhepausen im Sinne des ArbZG.
Die in Satz 1 Nr. 3 genannten Zeiten im Mehrfahrerbetrieb werden demnach sowohl als Ruhepause im Sinne des ArbZG, als auch als 45minütige Fahrtunterbrechung im Sinne des Artikels 7 Satz 3 der VO (EG) Nr. 561/2006 beurteilt.
In den Grundeinstellungen der Fahrtenschreiber (innerhalb der sogenannten „Counter-Funktion“) werden die Bereitschaftszeiten auch entsprechend ausgewiesen und bewertet. Aus dieser Hilfsfunktion lässt sich jedoch keine rechtskonforme Bewertung ableiten.

Jörg Eiden / Willy Dittmann / Sven Kilian

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