Fahrpersonalrecht: Fahrtunterbrechungen, Ruhepausen, Pausen und Bereitschaftszeiten – Teil 1

Unter Bezugnahme auf den Beitrag zu den unterschiedlichen Höchstlenkzeiten und deren rechtlicher Einordnung (siehe BERUFSKRAFTFAHRERZeitung Ausgabe 11-12/2023), widmet sich diese Abhandlung den Fahrtunterbrechungen, Pausen und Bereitschaftszeiten. Auch hinsichtlich dieser Begriffe sollen nachfolgend die wichtigsten fahrpersonal- und arbeitszeitrechtlichen Auslegungen (national und international) und deren rechtskonforme Bedeutung erörtert werden.

Mit entsprechenden Handlungsempfehlungen und Hinweisen wird darauf eingegangen, was die Akteure in der Transportbranche zur o.a. Thematik zu beachten haben, um möglichen Fehlinterpretationen und deren Rechtsfolgen entgegenzuwirken.

1 Fahrtunterbrechungen i. S. der VO (EG) Nr. 561/2006

1.1 Begriffe


Der Begriff Fahrtunterbrechung wird im aktuellen Text des Artikel 4 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 561/ 2006 wie folgt beschrieben:

Jeder Zeitraum, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird.



Nicht gefordert ist der Umstand, dass er frei über seine Zeit verfügen kann, wie dies durch die Begriffe Ruhezeit, Ruhepause oder Pause im Sinne des Arbeitszeitrechts gefordert ist (siehe dazu unten).

Der bzw. die Fahrer dürfen demnach, während sie eine Fahrtunterbrechung einlegen, keine anderen Arbeiten, wie beispielsweise Abfahrtkontrolle, Ladetätigkeiten und Fahrzeugwartung durchführen (Tätigkeitsverbot). Im Kern soll die Fahrtunterbrechung vor zu langen Fahrzeiten schützen.

In Artikel 4 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wird der Begriff der Ruhepause definiert: Jeder ununterbrochene Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann.

Obwohl Fahrtunterbrechungen, Ruhepausen und Pausen nach dem Arbeitszeitgesetz mit dem gleichen Symbol aufzuzeichnen sind, kann aus den zuvor angeführten unterschiedlichen Definitionen zweifelsfrei abgeleitet werden, dass die europäischen und nationalen Erwägungen und Regelungen verschiedene Bedeutungen und Auslegungen vorgeben.

1.2 Artikel 7 Verordnung (EG) Nr. 561/2006

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/ 2006 befasst sich inhaltlich ausschließlich mit der Lage und Dauer der Fahrtunterbrechungen.

Satz 1: Grundsätze
Nach einer Lenkdauer von viereinhalb Stunden hat ein Fahrer eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen, sofern er keine Ruhezeit einlegt.

Anmerkung: Den unterschiedlichen regelmäßigen bzw. reduzierten täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, deren Auslegung und rechtskonformen Bedeutung widmen wir uns in einer der nächsten Ausgaben der BERUFSKRAFTFAHRER-Zeitung.

Der Begriff „Lenkdauer“ ist in Artikel 4 Buchstabe q) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 definiert: Dabei versteht sich die Lenkdauer als Gesamtlenkzeit zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Fahrer nach einer Ruhezeit oder einer Fahrtunterbrechung beginnt ein Fahrzeug zu lenken und dem Zeitpunkt, zu dem er eine Ruhezeit oder Fahrtunterbrechung einlegt. Die Lenkdauer kann ununterbrochen oder unterbrochen sein.

Wichtig ist hier der Umstand, dass der Bezugszeitraum von maximal viereinhalb Stunden nur auf die Lenkdauer in einem nachweispflichtigen Fahrzeug zu beziehen ist. Andere Arbeiten werden für diese fahrpersonalrechtliche Einordnung nicht betrachtet. Anders verhält sich dies bei einer arbeitszeitrechtlichen Betrachtung, die nachfolgend erörtert wird.

Tägliche Lenkzeit – Grundregel 9 Stunden:

Tägliche Lenkzeiten sind zweimal in der Woche bis zu 10 Stunden zulässig, wobei die Woche die Zeit von Montag 00:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr darstellt.

Wird ein Fahrzeug von einem Fahrer länger als 9 Stunden gelenkt, sind zwei Fahrtunterbrechungen á 45 Minuten (bzw. Teilunterbrechungen – siehe nachfolgende Grafiken) einzulegen.

Die Fahrtunterbrechung muss nicht zwingend am Ende der viereinhalb Stunden Lenkdauer liegen. Nach Planung und Disposition der Tour kann sie auch vorher eingelegt werden.


Merke: Spätestens nach viereinhalb Stunden Lenkdauer ist eine Fahrtunterbrechung von ununterbrochen von 45 Minuten einzulegen.

Satz 2: Teilunterbrechungen
Es sind Teilunterbrechungen zulässig. Die erste Teilunterbrechung muss mindestens 15 Minuten betragen, gefolgt von einer zweiten Unterbrechung von mindestens 30 Minuten. Diese legalen Unterbrechungen sind so in die Lenkzeit einzufügen, dass die Bestimmungen von Artikel 7 Absatz 1 eingehalten werden.

Dabei geht es um die zulässige Aufteilung der Fahrtunterbrechung, bei der die Reihenfolge und deren Mindestdauer durch die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zwingend vorgeschrieben sind.

Demnach dürfen weder die einzelnen „Lenkzeitblöcke“ (viereinhalb Stunden) überschritten, noch die zuvor genannten Fahrtunterbrechungen unterschritten werden.

Die Aufteilung der Fahrtunterbrechung kann sich auf den ersten und auf den zweiten Betrachtungszeitraum von viereinhalb Stunden (der Lenkdauer) beziehen. Somit wäre also auch – falls bei einer täglichen Lenkzeit von mehr als 9 Stunden erforderlich – im zweiten viereinhalb Stunden Betrachtungszeitraum ein Splitting der Fahrtunterbrechungen zulässig.

Oftmals wird durch das Fahrpersonal die Meinung vertreten, dass es egal sei, in welcher Reihenfolge die Fahrtunterbrechungen eingelegt werden.

Dazu ein Negativbeispiel (siehe Grafik unten), das nach älterem EU-Recht zulässig war. In diesem Fall hat der Fahrer eine Lenkzeit von 7,5 Stunden mit einer – nach aktuellem Recht – anrechnungsfähigen Fahrtunterbrechung von lediglich 15 Minuten.

Immer wieder taucht unter dem Fahrpersonal die Frage auf, wie lange man lenken muss, um die erste Fahrtunterbrechung von mindestens 15 Minuten einzulegen.
Hierzu macht der Gesetzgeber keine Aussagen.

Nach der ersten tatsächlich aufgezeichneten Minute Lenkzeit kann die erste Fahrtunterbrechung einlegt werden.

Merke: Bei der Bewertung einer Kalenderminute wird die Aktivität mit dem größten zusammenhängenden Anteil gespeichert.

Nach einem Urteil des EuGH vom 15.12. 1993 C-27/02 beginnt nach jeder rechtmäßigen Fahrtunterbrechung (45 Minuten bzw. 15 + 30 Minuten) grundsätzlich ein neuer Lenkzeitblock von maximal viereinhalb Stunden (unter Beachtung der täglichen Höchstlenkzeit).

Satz 3: Mehrfahrerbetrieb
Ein im Mehrfahrerbetrieb eingesetzter Fahrer kann eine Fahrtunterbrechung von 45 Minuten in einem Fahrzeug einlegen, das von einem anderen Fahrer gelenkt wird, sofern der Fahrer, der die Fahrtunterbrechung einlegt, den das Fahrzeug lenkenden Fahrer dabei nicht unterstützt.

Dieser Satz wurde mit den Änderungen des Mobilitätspakets in Artikel 7 hinzugefügt. Ziel dabei ist eine einheitliche Anwendung und Auslegung der fahrpersonalrechtlichen Bestimmungen.

Die digitalen Fahrtenschreiber der Generation 1 und Generation 2 weisen – bereits nach wenigen Bewegungsimpulsen – vollautomatisch im Display des Kartenschachtes 1 das Symbol Lenkzeit aus. Parallel dazu wird im Kartenschacht 2 das Symbol der Bereitschaftszeit angezeigt. Während das Fahrzeug in Bewegung ist, können diese geschalteten und angezeigten Symbole nicht verändert werden.

Durch diese Klarstellung ist nun verbindlich festgeschrieben, dass von den durch die Fahrtenschreiber automatisch aufgezeichneten Daten eines in Bewegung befindlichen Fahrzeuges (Fahrer 1 = Lenkzeit und Fahrer 2 = Bereitschaftszeit) 45 Minuten der Bereitschaftszeit als Fahrtunterbrechung anzurechnen sind.

Wichtig dabei ist die Beachtung des Begriffs „Mehrfahrerbetrieb“ inklusive der dazu ergangenen Regelungen. Artikel 4 Buchstabe o) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 führt dazu aus:

Der Fall, in dem während der Lenkdauer zwischen zwei aufeinander folgenden täglichen Ruhezeiten oder Sozialvorschriften zwischen einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit mindestens zwei Fahrer auf dem Fahrzeug zum Lenken eingesetzt sind. Während der ersten Stunde des Mehrfahrerbetriebs ist die Anwesenheit eines anderen Fahrers oder anderer Fahrer fakultativ, während der restlichen Zeit jedoch obligatorisch.

Merke: Bei der Bewertung bis zur Aufnahme des weiteren Fahrers zählt die reine Lenkdauer des ersten Fahrers.

1.3 Verstöße gegen Artikel 7 Verordnung (EG) Nr. 561/2006

Rechtsverstöße können mit Geldbußen, wie aus den vorgenannten Bußgeldtabellen ersichtlich, gegen den Fahrer als auch gegen den Unternehmer geahndet werden.
Der aktuelle Buß- und Verwarnungsgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht LV 48 kann hier eingesehen werden.

Jörg Eiden / Willy Dittmann / Sven Kilian

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