EU-Sozialvorschriften: Ahndung von Rechtsverstößen

Für die Verkehrssicherheit und den Gesundheitsschutz des Fahrpersonals ist es wichtig, dass die Sozialvorschriften für das Fahrpersonal im Straßenverkehr eingehalten werden. Bei Verstößen können gegen alle Beteiligte (Fahrer, Unternehmer, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer, Fahrervermittlungsagenturen) an der Ordnungswidrigkeit, Ermittlungsverfahren nach § 55 Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) eingeleitet werden.

Was kostet mich dieser Verstoß?

Diese Fragestellung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Aus- und Fortbildungsveranstaltungen des gewerblichen Güter- und Personenverkehrs.

Wir starten die Ausführungen mit einem Blick auf die Ergebnisse der Kontrollen im Fahrpersonalrecht 2021 des Bundesamtes für Logistik und Mobilität – BALM (vormals BAG).

Dabei richtet sich der Fokus schwerpunktmäßig auf die Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten. Das betrifft zu lange Lenkzeiten, zu kurze Fahrtunterbrechungen und zu kurze Ruhezeiten, sowie die nicht ordnungsgemäße Bedienung der digitalen Fahrtenschreiber.

Auffällig dabei ist die Tatsache, dass es offensichtlich weniger Verstöße gegen die Lenkzeiten, Unterbrechungen und Ruhezeiten gibt (siehe oberer Teil der Abbildung), als gegen die Normen, die den bestimmungsgemäßen Einsatz der Fahrtenschreiber bzw. deren Bedienung regeln (siehe unterer Bereich der Abildung).

Dies verwundert insbesondere deshalb, da die digitalen Fahrtenschreiber am 1.5.2006 – also vor mehr als 15 Jahren – eingeführt und die Bedienung durch das Fahrpersonal zwischenzeitlich erheblich erleichtert wurde.

Zur Sanktion von Verstößen gegen die Lenk-und Ruhezeiten und zur nicht ordnungsgemäßen Bedienung der Fahrtenschreiber gibt es den bundeseinheitlichen Buß- und Verwarnungsgeldkatalog, in dem unter anderem die Bußgeldsätze und Grundlagen zu deren Berechnung aufgelistet sind. Die dort ausgewiesenen Beträge stellen sogenannte Regelsätze für zunächst vorsätzliches Handeln dar.

Mit der Herausgabe des Buß- und Verwarnungsgeldkataloges (LV 48) verfolgt der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) das Ziel, länderübergreifend einheitliche Maßstäbe für die Höhe der Bußgelder festzulegen. Dieser „Ahnungskatalog“ hat keinen formalen Gesetzescharakter und entfaltet rechtlich gesehen lediglich innerbehördliche Bindungswirkung (gleiches Verwaltungshandeln). Er dient den Aufsichts- und Ahndungsbehörden (Arbeitsschutzbehörden/ Gewerbeaufsichtsämtern/BALM) als Orientierung und soll insbesondere den grundgesetzlich verankerten Gleichheitsgrundsatz wahren. Darüber hinaus dient er den Transportunternehmen und deren Beschäftigten als wichtige Informationsquelle.

In diesem Regelwerk finden sich Aussagen zur Sanktionierung der nationalen Bestimmungen – FPersG und FPersV –, der europäischen Verordnungen – VO (EG) Nr. 561/2006 und VO (EU) Nr. 165/2014 – sowie den Regelungen außerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftraum – geregelt im AETR.

Auszug: Bundesamt für Logistik und Mobilität – BALM

Die Höhe der Geldbußen machen jedoch eine Prüfung der Einzelfallumstände in Ausübung des Ermessens nach den Zumessungskriterien des § 17 Absatz 3 OWiG nicht entbehrlich. Die Regelsätze können je nach den Umständen des Einzelfalles erhöht oder ermäßigt werden. Die Erhöhung des Regelsatzes nach § 17 Absatz 4 kommt zum Beispiel in Betracht, wenn sich der oder die Betroffene uneinsichtig zeigt oder Wiederholungstäter ist.

Letztendlich obliegt es den Betroffen gegen Bußgeldentscheidungen fristgemäß bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, Einspruch einzulegen. Im Rahmen der gerichtlichen Hauptverhandlung werden die Einspruchsgründe geprüft, ob die ausgesprochenen Sanktionen aufrechterhalten werden.

Diese Buß- und Verwarnungsgeldkataloge sind öffentlich zugänglich und können auf der Homepage des BALM heruntergeladen werden.

Ahndungsbeispiele

Zur Anwendung des Buß- und Verwarnungsgeldkatalog zwei verschiedene Ahndungsbeispiele aus der Praxis:

Hinweis: Bevor Sie die Lösung und damit verbundenen Bußgeldsätze erfahren, sollten Sie eine persönliche Schätzung der Beträge durchführen.

Beispiel 1:

Ein Fahrer lenkt sein Fahrzeug über eine tägliche Gesamtlenkzeit von 10,5 Stunden. Die zulässige tägliche Lenkzeit von 2-mal bis zu 10 Stunden hat er in der laufenden Woche bereits ausgenutzt.

Rechtverstoß: Überschreitung der täglichen Lenkzeit um 1,5 Stunden.

Des Weiteren hat der Fahrer an diesem Tag die erforderliche regelmäßige tägliche Ruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden auf 9,5 Stunden verkürzt.

Rechtverstoß: Unterschreitung der täglichen Ruhezeit um 1,5 Stunden

Bewertung:
(Erläuterung: linker Bereich = Fahrer; rechter Bereich = Unternehmer)

Berechnung der Geldbuße nach Rd.-Nr. 102 und 108:

Fahrer: 3 x 30,– Euro = 90,– Euro
Unternehmer: 3 x 90,– Euro = 270,– Euro.

Beispiel 2:

Ein Fahrer steckt zu Beginn seiner täglichen Arbeit seine persönliche Fahrkarte in den digitalen Fahrtenschreiber. Dabei beachtet er nicht die Menüführung des Gerätes. Er unterlässt es, die „Zwischenzeiten“ manuell nachzutragen und gibt auch keine Länderkennung ein.

Rechtverstöße:

  1. Zeiten, die außerhalb des Fahrzeugs angefallen sind, wurden nicht ordnungsgemäß am Fahrtenschreiber nachgetragen.
  2. Das Ländersymbol wurde nicht in den Fahrtenschreiber eingegeben.

Bewertung:
(Erläuterung: linker Bereich = Fahrer; rechter Bereich = Unternehmer)

Berechnung der Geldbuße nach Rd.-Nr. 315 und 320

Fehlende Nachträge
Fahrer: mindestens 75,– Euro je 24-Stunden-Zeitraum

Fehlende Länderkennung
Fahrer: mindestens 75,– Euro je 24-Stunden-Zeitraum

Unternehmer: Bei den vorgenannten Rechtsverstößen greifen als Rechtsfolge für den Unternehmer oder dessen Beauftragte spezielle Maßnahmen. Anordnungen durch die Verwaltungsbehörde, weil der Unternehmer es unterlassen hat, für den ordnungsgemäßen Betrieb des Fahrtenschreibers zu sorgen.

Nach einer Anhörung nach § 55 OWiG durch die zuständige Ahndungsbehörde können weitere Verstöße geprüft und deren Bußgeld unter Heranziehung des Buß- und Verwarnungsgeldkatalogs bewertet werden.

Quellenangaben:

  • Bundesamt für Logistik und Mobilität
  • Buß- und Verwarnungsgeldkatalog LV 48
  • FPersG und FPersV
  • OWiG

Willy Dittmann / Jörg Eiden / Sven Kilian

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