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Ladungssicherung: Mythen, Halbwahrheiten und Klarstellungen zu Zurrgurten

Wer kennt das nicht aus der Praxis: Immer wieder wird darüber diskutiert, ob ein Zurrgurt verdreht oder verknotet sein darf – und die Gerüchte rund um das beliebteste Hilfsmittel zur Ladungssicherung, den Zurrgurt, reißen nicht ab. Die Mythen und Halbwahrheiten sind vielfältig und scheinen keine Grenzen zu kennen. Fragt man in einem Seminar oder Projekt zu Zurrgurten nach, erhält man leider oft falsche oder sogar gefährliche Antworten.

In diesem Beitrag möchten wir die häufigsten Irrtümer aufklären und für mehr Sicherheit und Klarheit im Umgang mit Zurrgurten sorgen.

Haltbarkeit von Zurrmitteln

Häufig wird darüber spekuliert, dass Zurrgurte ein Haltbarkeitsdatum haben könnten. Ein oft genanntes Argument ist, dass das Material mit der Zeit spröde werden könne. Tatsächlich kann ein Gurt durch äußere Einflüsse wie Sonneneinstrahlung, Kälte, Regen oder Eis allmählich an Elastizität und Festigkeit verlieren. Solange ein Zurrgurt jedoch nicht die sogenannte Ablegereife erfüllt – also bestimmte Schäden oder Mängel aufweist, die seine sichere Nutzung ausschließen – besitzt er kein festes Haltbarkeitsdatum. Das gilt im Übrigen für alle Hilfsmittel zur Ladungssicherung.

Abschneiden

Gerade bei Kleintransportern sind Standard-Zurrgurte oft zu lang – meist werden Gurte mit einer Länge von 8 Metern bereitgestellt, obwohl häufig nur etwa 4 Meter benötigt werden. Doch darf das überstehende Losende des Gurtes, also der längere Abschnitt ohne Ratsche, gekürzt werden? Die Antwort lautet eindeutig: Ja. Hersteller haben dies schon immer toleriert. Zurrgurte werden in großen Längen gewebt, eingefärbt und dann auf die vom Kunden gewünschte Länge zugeschnitten. Das Kürzen hat keinerlei Einfluss auf die Zugfestigkeit oder die auf dem Etikett angegebenen Werte. Seit März 2023 ist diese Praxis nun auch offiziell in den Regelwerken verankert: Die VDI-Richtlinie 2700 Blatt 3.1 erlaubt das Kürzen von Zurrgurten ausdrücklich und schafft damit Klarheit.

Einschneiden

Die Frage, ob Zurrgurte beschädigt oder eingeschnitten sein dürfen, beantworten etwa 90 % der Beteiligten falsch. Dabei ist die Antwort seit über 20 Jahren in den Regelwerken festgelegt: Ein Gurt darf bis zu 10 % seiner Breite beschädigt sein.

Wichtig dabei: Diese 10 % beziehen sich auf die gesamte Länge des Gurtbands. Das bedeutet, dass ein Zurrgurt mit einer Breite von fünf Zentimetern insgesamt bis zu fünf Millimeter an Einschnitten aufweisen darf. Entscheidend ist jedoch, dass diese Beschädigungen nur an den Webkanten des Gurts liegen dürfen. Schnitte oder Einschnitte in der Mitte des Gurtbands sind nicht zulässig. Auch bei einer Beschädigung innerhalb des zulässigen Bereichs erfüllt der Zurrgurt noch die geforderte zweifache Sicherheit. Dennoch wird empfohlen, beschädigte Gurte nicht mehr zu verwenden, da sie eine Schwächung darstellen und das Risiko erhöhen.

Klare Sache: Dieser beschädigte Gurt darf nicht mehr verwendet werden.

Knoten

Dass die beiden Enden eines Zurrgurts nicht miteinander verknotet werden dürfen, ist allgemein bekannt. Doch wie sieht es mit einem sogenannten „Tüdelknoten“ irgendwo mitten im Gurtband aus?

Wer sich mit Angeln ein wenig auskennt, weiß, wie ein Knoten die Stabilität einer Angelschnur beeinträchtigen kann. Befindet sich beispielsweise ein Knoten in der Schnur – abgesehen von dem am Haken – und ein relativ kleiner Fisch zieht kräftig dagegen, reißt die Schnur oft sehr schnell. Bei einem Zurrgurt verhält es sich ähnlich: Sobald ein Knoten im Gurtband vorhanden ist und Zugkraft darauf wirkt, schneidet sich das Band im Knoten selbst ein und wird schwächer. Ein Knoten reduziert die Tragkraft des Gurts erheblich und erreicht oft nicht einmal die auf dem Label angegebene Zurrkraft.

Wenn auf dem Etikett etwa eine Zurrkraft (LC) von 2.000 daN angegeben ist, reißt der Gurt mit Knoten oft bereits bei 1.700–1.800 daN. Ein Knoten beeinträchtigt die Stabilität also noch stärker als ein Einschnitt und ist deshalb absolut verboten.

Zurrgurte dürfen nicht verknotet werden.

Verdrehen

Wie verhält es sich mit dem Verdrehen von Zurrgurten? Wenn Ladung auf einer offenen Ladefläche niedergezurrt wird, kann der Gurt während der Fahrt zu pfeifen und zu vibrieren beginnen. Um das zu verhindern, drehen viele Nutzende den Gurt einmal um die eigene Achse – und das Pfeifen und Vibrieren hört auf.

Seit März 2023 ist diese Praxis offiziell in der VDI-Richtlinie 2700 Blatt 3.1 geregelt: Ein einmaliges Verdrehen des Gurts ist nun ausdrücklich zulässig. Mehrere Umdrehungen sind jedoch nicht erlaubt, da sie eine ähnliche Stauchung verursachen wie ein Knoten und somit die Festigkeit des Gurts beeinträchtigen könnten.

Einhängen vom Haken

Das richtige Einhängen des Hakens wird ebenfalls oft diskutiert. Die einen meinen, der Haken sollte von innen nach außen zeigen, um die Ware vor Beschädigungen zu schützen und zu verhindern, dass er beim Spannen der Ratsche aus dem Zurrpunkt rutscht. Andere argumentieren, er sollte von außen nach innen eingehängt werden, um eine mögliche Plane vor Beschädigungen zu bewahren. Tatsächlich sind Zurrhaken oft so gestaltet, dass sie sich nur von außen nach innen in die Zurrpunkte einhängen lassen.

Unsere Ansicht: Die Einhängerichtung ist letztlich egal. Entscheidend ist, dass der Haken korrekt im Hakengrund belastet wird und sicher im Zurrpunkt sitzt.

Die Haken müssen korrekt im Hakengrund belastet werden, was hier beim linken Haken
nicht gegeben ist.

Eine wichtige Anmerkung: Falls der Haken eine Schnappfalle oder Schließsicherung besitzt, muss diese intakt und geschlossen sein, um die volle Sicherheit zu gewährleisten.

Haken in Haken

Dürfen Haken in Haken eingehängt werden? Eine klare Regelung dazu findet sich in den Richtlinien und Normen nicht – was bedeutet, dass es nicht ausdrücklich verboten ist. Fertig produzierte Zurrgurte müssen jedoch die sogenannte zweifache Sicherheit erfüllen. Das heißt, ein Gurt mit einer Zurrkraft (LC) von 2.000 daN muss mindestens 4.000 daN Belastung standhalten können. In der Praxis ist dieser doppelte Wert nicht relevant, da nur die auf dem Etikett angegebene Zugkraft zählt.

Wenn jedoch Haken ineinander eingehängt werden, erreichen solche Kombinationen oft nicht die erforderliche doppelte Sicherheit. Ein Test eines namhaften Zurrmittelherstellers zeigte, dass eine der getesteten Hakenkombinationen die doppelte Sicherheit fast, aber eben nicht ganz erreichte.

Falls Hersteller spezielle Verbindungs- oder Verlängerungshaken anbieten, dürfen diese selbstverständlich verwendet werden.

Normale Zurrhaken sollten niemals in einen anderen Haken eingehängt werden.

Label

Zurrgurte werden hauptsächlich aus drei Materialien gefertigt: Polyester (PES), Polyamid (PA) und Polypropylen (PP). Seit wenigen Jahren gibt es zusätzlich die Hochleistungsfasern Dyneema bzw. HMPE. Anhand der Farbe des Labels lässt sich relativ einfach erkennen, aus welchem Material ein Zurrgurt besteht.

Da etwa 97 % der Gurte aus Polyester (PES) hergestellt werden, tragen die meisten ein blaues Etikett – wie von der Norm EN 12195-2 gefordert. Gurte aus Polyamid und Polypropylen sind an den Farben Grün bzw. Braun erkennbar. Für die neu eingeführten Hochleistungsfasern wurde ein weißes Label gewählt. Da Dyneema und HMPE derzeit noch nicht genormt sind, haben sich die Hersteller auf dieses neutrale weiße Etikett geeinigt.

Falls ein Gurt beispielsweise ein rotes oder gelbes Label hat, ist er nicht normkonform und damit als ablegereif zu betrachten.

Wichtig für die Anwendung: Das Label muss immer vorhanden und gut lesbar sein!

Farbe des Zurrgurtes und die Streifen

Es wird oft behauptet, dass die Farbe eines Zurrgurts – ähnlich wie bei Hebebändern – dessen Zurrkraft anzeigt. Das ist jedoch ein klarer Irrtum. In der Ladungssicherung hat die Farbe eines Gurts keinerlei Bedeutung für seine Kraft. Gurte können in jeder gewünschten Farbe bestellt werden, ohne dass dies Einfluss auf ihre Tragkraft hat.

Auch die eingenähten Streifen in einem Gurtband führen oft zu Missverständnissen. Manche glauben, dass ein Gurt bis zu den Streifen eingeschnitten sein darf, andere interpretieren jeden Streifen als Hinweis auf eine Tragkraft von 1 Tonne. Beide Annahmen sind falsch.

Die Streifen sollen lediglich als Anhaltspunkt dienen: Ein Streifen steht für eine LC (Zugkraft) von 500 daN. Ein Gurt mit einer LC von 2.500 daN würde also fünf Streifen aufweisen. Diese Streifen sind jedoch keine verbindliche Vorschrift und lediglich eine Zusatzkennzeichnung einiger Hersteller. Entscheidend für die Tragkraft ist ausschließlich der Wert, der auf dem Etikett angegeben ist.

Sicherheitskennzeichen CE oder GS

Viele Zurrgurte tragen ein CE-Zeichen, das ursprünglich aus der Maschinenrichtlinie stammt und auf Produktsicherheit sowie Rückverfolgbarkeit hinweist. In der Ladungssicherung ist das CE-Zeichen jedoch nicht zugelassen. Weder Gurte, Stangen, Netze noch andere Hilfsmittel für die Ladungssicherung dürfen ein CE-Zeichen tragen. Trotzdem sind zahlreiche CE-gekennzeichnete Gurte auf dem Markt zu finden, was zu Verwirrung führen kann.

Gemäß der Norm sind Hersteller verpflichtet, ihre Zurrgurte während der Produktion an verschiedenen Stellen zu prüfen, um die Qualitätsstandards einzuhalten. Wenn diese Prüfungen zusätzlich von unabhängigen Prüfgesellschaften wie TÜV oder Dekra zertifiziert werden, erhalten die Gurte das GS-Zeichen. GS steht für „Geprüfte Sicherheit“ und zeigt an, dass das Produkt offiziell überprüft wurde und den Sicherheitsanforderungen entspricht.

Gurte mit CE-Kennzeichnung sind nicht zugelassen.

Ablegreife

Für Zurrgurte gibt es klare Kriterien, die bestimmen, wann sie nicht mehr verwendet werden dürfen. Dieser Zustand wird als Ablegereife bezeichnet. Hier sind die wichtigsten Punkte, bei deren Vorliegen ein Gurt sofort aus dem Verkehr gezogen werden muss:
• Garnbrüche oder -einschnitte: Mehr als 10 % Beschädigung an der Webkante.
• Einschnitte über die gesamte Breite: Schnitte, die die gesamte Breite des Gurtbands betreffen.
• Beschädigungen in der Mitte: Schäden, die sich in der Mitte des Gurtbands befinden.
• Beschädigte Verbindungen (Nähte): Nähte, die gerissen oder beschädigt sind.
• Verformung durch Wärmeeinfluss: Hitzeeinwirkungen, die das Gurtband verformt haben.
• Kontakt mit aggressiven Stoffen: Kontakt mit Chemikalien, einschließlich Markern wie Edding, der das Material angreifen kann.
• Fehlendes oder unlesbares Kennzeichnungsetikett: Wenn das Etikett nicht mehr vorhanden oder nicht mehr lesbar ist.
• Anrisse oder Brüche an der Ratsche: Schäden, die die Ratsche beeinträchtigen.
• Verformungen der Schlitzwelle der Ratsche: Verbogene oder beschädigte Schlitzwelle.
• Risse, Brüche oder Verformungen am Haken: Haken, die beschädigt oder deformiert sind.
• Aufweitung des Hakenmauls: Eine Aufweitung des Hakenmauls um mehr als 5 %.

Diese Punkte sind entscheidend, um die Sicherheit zu gewährleisten. Bei Feststellung eines dieser Mängel ist der Gurt sofort auszusortieren und darf nicht mehr verwendet werden.

Michael Girbes

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