Goslar Institut: Evakuierung aus Reisebussen verbessern

Busse gelten als sicheres Verkehrsmittel. Doch bei einem Unfall können Reisebusse auch zu einer – im Worst Case tödlichen – Falle für die Passagiere werden.

Besonders wenn ein Reisebus auf der Seite seiner Türen zu liegen kommt oder diese Ausgänge sich aus anderen Gründen nicht öffnen lassen, ist es für die Insassen schwierig bis unmöglich, das Fahrzeug aus eigener Kraft zu verlassen, wenn sie nicht ausgesprochen sportlich sind. Das ergab jetzt eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zur Sicherheit von Reisebussen. Deshalb fordert die UDV Verbesserungen bei der Evakuierung von Passagieren aus Reisebussen und macht hierzu konkrete Vorschläge.

Laut statistischem Bundesamt ist der Bus das sicherste Verkehrsmittel auf deutschen Straßen. Und auch andere Studien kommen zu dem Resultat, dass der Fernbus auf die geringste Anzahl an tödlichen Unfällen kommt und somit Auto und Motorrad in puncto Sicherheit deutlich abhängt. Zudem nehmen die deutschen Busunternehmer für sich in Anspruch, im europäischen Vergleich über die jüngste, modernste und damit sicherste Fahrzeugflotte zu verfügen. Doch von Zeit zu Zeit machen spektakuläre Busunfälle Schlagzeilen und kosten leider auch häufig Menschenleben.

Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zu Reisebus-Unfällen

Wie es dazu kommen kann, hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) in einer Studie unter die Lupe genommen. Danach kann auch der nominell sicherste Reisebus, der mit allen zeitgemäßen elektronischen Fahrsicherheits-Assistenten ausgestattet ist, schnell zur Falle für die Passagiere werden. Speziell dann, wenn ein Reisebus umkippt und auf der Seite seiner Türen landet oder diese Ausgänge sich aus anderen Gründen nicht öffnen lassen.

In solchen Fällen sei es für die Insassen schwierig bis unmöglich, das Fahrzeug aus eigener Kraft zu verlassen, warnt die UDV. Ausgenommen davon sind aus Sicht der Unfallforscher lediglich ausgesprochen sportliche Zeitgenossen.

„Vor allem, wenn nicht auf Hilfe durch Rettungskräfte gewartet werden kann, beispielsweise bei Brand oder Rauchentwicklung, sitzen die Menschen in der Falle“, erklärt der Leiter der UDV, Siegfried Brockmann. Er betont zwar, dass solche Ereignisse selten seien, dennoch müssten Gesetzgeber und Bushersteller die Erkenntnisse der Studie umgehend umsetzen.

Defizite bei der Evakuierung von Passagieren durch die Türen

Die UDV moniert auf der Basis von einschlägigen Versuchen, Befragungen und technische Analysen insbesondere Defizite beim Evakuieren von Passagieren durch die Türen.

Hier seien verbindliche Vorgaben erforderlich für die Zeit, innerhalb derer bei einem Notfall die Insassen einen Bus räumen können, wie sie für Flugzeug, Bahn und Schiff selbstverständlich sind, fordert die UDV. Zum besseren Verständnis: Für die Musterzulassung von Flugzeugen müssen deren Hersteller nachweisen, dass alle Passagiere innerhalb einer definierten Zeit evakuiert werden können, auch wenn nur die Hälfte aller Notausgänge zur Verfügung steht. Bei Verkehrsflugzeugen beträgt diese Zeitspanne zum Beispiel 90 Sekunden.

Sobald ein Bus schräg liegt und seine Türen blockiert sind, wird eine solche Evakuierung hingegen problematisch, wie die Unfallforscher bei Tests feststellten. Denn dann können nach ihren Erfahrungen ohne turnerische Qualitäten weder die Seitenscheiben noch die Dachluken genutzt werden. Die Frontscheibe steht demnach als Notausstieg ebenfalls nicht zur Verfügung, weil sie aus Verbundglas besteht und nicht mit einem Not-Hammer zerschlagen werden kann. Und ein Entkommen über das Heckfenster werde mitunter durch Sonderanbauten wie Ski- oder Fahrradträger versperrt, stellten die Forscher fest. Sie bemängeln zudem das Abschnallen und die Fortbewegung in einem auf der Seite liegenden Bus als ausgesprochen schwierig.

Konkrete Verbesserungsvorschläge

Konkret schlägt die UDV zur Verbesserung der Sicherheit von Reisebus-Passagieren vor, die bei vielen Herstellern bereits optional verfügbaren und aus dem Pkw bekannten Dreipunktgurte statt der kostengünstigeren Zweipunktgurte zu installieren. Außerdem plädieren die Unfallforscher für breitere Gänge zwischen den Sitzreihen sowie für Lichtleisten, die zu den nächstgelegenen Notausstiegen führen. Darüber hinaus sollen die Dachluken quer statt längs eingebaut werden, um ein Verlassen des Busses auf diesem Weg zu erleichtern. Außerdem dürfe die Heckscheibe niemals von außen versperrt sein, fordert die UDV.

Als wichtigste konstruktive Maßnahme für beinahe alle erdenklichen Endlagen des Busses nach einem Unfall hebt der Experte Siegfried Brockmann hervor, dass sich die Frontscheibe für den Ausstieg von innen entfernen lässt. Dies soll demnach durch einen Druckschlauch oder eine Sprengschnur entlang der Klebenaht möglich sein. Dann könnten nämlich auch ältere und unsportliche Insassen auf diesem Weg den Bus gut verlassen.

Empfohlene Artikel

Eine Antwort hinterlassen

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

6 + siebzehn =

- Anzeige -
Anzeige: KCN Antirutschboden

Aktuelle Beiträge

Scania 560 G XT:„Extrastark“ für den Baueinsatz

In der „Super“-Baureihe leistet der stärkste Scania mit Sechszylindermotor 560 PS. Der hier vorgestellte 6x4-Dreiachser in der XT-Ausführung ist besonders robust ausgelegt. Das XT...

EU-Sozialvorschriften: Ahndung von Rechtsverstößen

Für die Verkehrssicherheit und den Gesundheitsschutz des Fahrpersonals ist es wichtig, dass die Sozialvorschriften für das Fahrpersonal im Straßenverkehr eingehalten werden. Bei Verstößen können...

ADR: Übersicht von gängigen Kennzeichnungen nach Gefahrgutrecht

Wann sind wo welche Kennzeichnungen erforderlich – Teil 1 In diesem Artikel werden „Symbole/Etiketten/Tafeln“ erläutert, welche in der Praxis häufig existieren. Die bekanntesten „Etiketten“ sind die...

Volvo Trucks: Elektro-Lkw für das Bausegment

Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im Baugewerbe steigt. Die wichtigsten Antriebskräfte hierfür sind Null-Emissionszonen in Städten und die Notwendigkeit für Bauunternehmen, die Klimaziele zu erreichen....

Mercedes-Benz Vans: Mercedes-Benz eSprinter

Mercedes-Benz Vans elektrifiziert alle Baureihen. Der neue eSprinter soll durch Effizienz, Reichweite und Ladevolumen überzeugen. Produziert wird er künftig in Europa und in Nordamerika. Der...

Ford: Neuer Ford Tourneo Custom

Im 1-Tonnen-Nutzlastsegment wird Ford Pro mit dem E-Tourneo Custom ab Mitte dieses Jahres ein vollelektrisches Modell anbieten. Die neue Fahrzeug-Generation basiert auf einer ebenfalls...

Ford Trucks: F-MAX mit Ecotorq-Motor

Ford Trucks präsentiert den F-MAX mit der neuen Ecotorq-Motor-Generation 1.5. Damit soll der Kraftstoffverbrauch um bis zu 5,5 Prozent geringer sein als bisher. Der neue...